Warum du Shopify nicht blind vertrauen solltest

Warum du Shopify nicht blind vertrauen solltest


Wenn das Shopify Sales Team versucht die eigenen Leads abzuwerben.

Shopify Partnerschaft - Trust and Truth

10.11.2022 | Daniel Kussin | Shopify

Wir sind Shopify Partner seit 2019 und haben diverse Projekte in der Zeit betreut, allerdings nur einige Leads generiert. – Neben Shopify beraten wir auch Onlinehändler mit den eCommerce Systemen von Adobe Commerce (ehem. Magento), OXID eSales u.v.m.
Wir sind von Shopify komplett überzeugt, allerdings hat Shopify auch einige Schwächen und ist deswegen nicht die beste Lösung für alle Business Cases. Shopify überzeugt immer dann, wenn wenig Individualisierung benötigt wird und klassische Produkte (z.B. Bekleidung) verkauft wird, denn Shopify wurde für den Verkauf von physischen Produkten entwickelt und kennt nur diesen Produkttyp.

Unser Weg zum Shopify-Partner

Wir sind durch unseren Kunden Duske & Duske 2018 zu Shopify gekommen. Duske & Duske ist ein D2C Händler der passenden Spirituosen zu den 3 Phasen einer Zigarre verkauft.
Die Anforderung des Kunden war, dass er mit dem Betrieb des Shopsystems nicht in Berührung kommt und möglichst abmahnsicher sein Geschäft betreiben kann.
Bei der Evaluierung unterschiedlicher Onlineshop-Anwendungen hat sich Shopify als beste Lösung herausgestellt.

Im Rahmen weitere Projekte sind wir dann Shopify Partner geworden, was uns den Vorteil gebracht hat, den Partner Support zu nutzen und eine zentrale Verwaltungsplattform zu haben.

2020 haben wir dann Pinneberg.handelt ins Leben gerufen, dass bis dahin rein stationären Händlern die Möglichkeit geboten hat, selbstständig einen Shopify Shop aufzubauen und von uns professionelle Unterstützung zu erhalten.
Pinneberg.handelt war eine kostenlose Hilfsaktion unserer Agentur während der Covid-19 Krise.

Verlängerter Vertriebsarm statt objektiver Beratung?

Seit dem wir Shopify Partner sind, haben wir gemischte Erfahrungen mit dem enthaltenen Angebot gemacht, der Shopify Partner Support bietet eine kleine Schnittstelle zu Shopify, aber er ist vergleichbar mit dem Shopify Händler Support. Viele Antworten findet man schneller im Shopify Forum und aufgrund der fehlenden technisch Expertise der Support-Mitarbeiter, ist es eher eine Unterstützung bei der Suche in der Shopify Dokumentation.
Nach einigen Jahren Erfahrung hat sich für uns das Shopify Partner Programm eher als ein verlängerter Vertriebsarm erwiesen, d.h. Shopify drängt seine Partner zu Abschlüssen und ignoriert die Schwächen des eigenen Systems. Ein gutes Beispiel ist die Provisionsregelung: Ein Shopify Partner erhält je nach Partnerprogramm min. 10% der monatlichen Shopify Gebühren, allerdings nur solange er regelmäßig Neugeschäft akquiert. Sobald ein Zeitraum von 12 Monaten ohne neuen Lead überschritten wird, entfällt jeglicher Provisionsanspruch (vgl. Active Shopify Partner):

You must carry out at least one of the above-listed activities during each consecutive 12-month period to continue receiving recurring commission payments.

Als mittelständige Internetagentur mit 10-15 Mitarbeitern und dem Ziel einer langfristigen Zusammenarbeit mit dem Händler, ist das nicht realistisch. Wir betreuen aktuell 17 Kunden mit einem monatlichen Durchschnittsaufwand von ca. 27,50 Stunden pro Kunden. Da ist es schlicht nicht möglich, jährlich 1-2 neue Kunden aufzunehmen, wenn man sich nicht ausschließlich auf Shopify fokussieren will.
In unserem Fall spielt die Provisionsreglung daher kaum eine Rolle, denn bisher sind wir jedes Mal zu der Entscheidung gekommen, dass Shopify Plus nicht notwendig ist und die Anforderungen des Kunden mit einem anderen Shopify Angebot abgebildet werden können. – Und bei den einfachen Verträgen beläuft sich die Provision pro Kunde auf lediglich 20-30 EUR pro Monat.

Unsere Erfahrung mit dem Shopify Plus Sales Team

Im Jahr 2022 sind wir dann erstmals stärker in Kontakt mit dem Shopify Plus Sales Team gekommen. Obwohl wir darum gebeten haben, in einen technischen Austausch zu gehen, um die Machbarkeit unseres Kundenprojekts zu bewerten, wurden alle Gespräche nur mit Mitarbeitern aus dem Vertriebsteam geführt, welches im Laufe der Gespräche versucht hat, direkt mit unserem Kunden in Verbindung zu treten und uns aufgrund von „mangelnder Erfahrung“ zu ersetzen.

Shopify Plus Organization Management Dashboard

Shopify vs. Shopify Plus

Bevor wir die Situation näher erläutern, wollen wir ein paar Mythen bzgl. Shopify Plus aus der Welt schaffen. Shopify Plus ist identisch mit allen anderen Shopify Angeboten, d.h. weder der Kunde, noch der Shopify Plus Partner, hat mit Shopify Plus mehr Möglichkeiten auf das System einzuwirken, als beim regulären Shopify. Auch seitens Shopify gibt es keine technische Erweiterung der eigentlich Shop-Systems.

Die echten Vorteile sind:

HINWEIS:  Die Multishop-Fähigkeit von Shopify Plus besteht daraus, dass im Shopify Plus Vertrag bereits 10 Shopify Shops eingerechnet sind. Jeder weitere Store kosten 250 EUR pro Monat. Es handelt sich aber um unabhängige Instanzen, so dass jeder einzelne Shop neu eingerichtet werden muss, inkl. der App Lizenzen und evtl. Anbindungen an Drittsysteme wie z.B. ein ERP.

Kann Shopify den Anforderungen gerecht werden?

Zum geplanten Projekt, dass wir mit dem Shopify Plus Sales Team besprochen haben, ist zu sagen, dass unser Kunde ein vollautomatisiertes Shopsystem benötigte, dass die Produktdaten aus einem zentralen PIM zur Verfügung stellt und die Bestellungen in ein spezielles branchenspezifisches ERP übermittelt benötigte.
Des Weiteren handelt der Onlineshop primär mit Download-Produkten und möchte mittelfristig Abonnements für physische Produkte und Mitgliedschaften für digitale Produkte anbieten.

Bei der initialen Evaluierung von Shopify, haben wir uns schnell auf das Thema Downloads fokussiert, weil Shopify diese nicht mit dem Standard abbilden kann und wir deswegen auf eine Drittanbieter-App zurückgreifen müssten. Wobei hier zu berücksichtigen ist, dass Drittanbieter oft Zugriff auf personenbezogene Daten erhalten, was aus rechtlicher Sicht sehr problematisch ist.
Im Laufe der Evaluierung mussten wir die meisten Apps sehr schnell als unbrauchbar aussortieren, weil sie keine Möglichkeit der Automatisierung anbieten, d.h. sie keine öffentliche Schnittstelle angeboten haben und nur für den begrenzten Einsatz von Digitalen Produkten gedacht sind (inklusive der eigenen Shopify Lösung Digital Downloads, die nur eine Download-Datei pro Produkt verarbeiten kann). Am Ende gab es eigentlich nur zwei Lösungen, die alle unsere Anforderungen erfüllten, allerdings haben wir von einem der beiden Unternehmen folgende Rückmeldung im Vorfeld erhalten (den Anbieter möchten wir aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht nennen):

With that amount of products, it’s maybe better to find a platform 100% dedicated to digital products or to build an app dedicated uniquely to your store.

Und der andere Anbieter ist SendOwl, der uns auch als Lösung vom Shopify Plus Sales Team für unsere Anforderungen Downloads, Abonnements und Mitgliedschaften genannt wurde. Allerdings hat uns der Hersteller folgende Rückmeldung gegeben:

SendOwl subscriptions are currently not compatible with Shopify as the Shopify checkout does not support recurring payment products.

Aufgrund unserer Erkenntnisse haben wir dann Kontakt mit den Sales Team von Shopify Plus aufgenommen und unsere Anforderungen klar formuliert, damit vor dem Gespräch mit unserem Kunden alle Probleme geklärt bzw. Alternativen vorbereitet werden können. – Wir haben auch explizit unseren Kunden darum gebeten, dass er an den Gesprächen mit Shopify teilnimmt, damit es keine Missverständnisse im späteren Betrieb gibt.

HINWEIS:  Man muss zu unserer Agentur wissen, dass wir uns immer als Teil unseres Kunden verstehen, aktiv deren Willen vertreten und das auch gegenüber unserer Partnerunternehmen.

Highlight: Wie Shopify versuchte, uns beim Kunden zu diskreditieren

Im Rahmen des Erstgesprächs musste das Shopify Plus Sales Team dann feststellen, dass wir sehr kritische Fragen gestellt haben und nicht die Generierung eines neuen Leads das Ziel war, sondern deutlich die Anforderungen unseres Kunden herauszuarbeiten und die Schwächen von Shopify aufzuzeigen. Unser Ziel war es eben kein Akquise-Gespräch nach dem Motto zu führen, dass Shopify das beste Shopsystem der Welt ist, sondern klar die Nachteile festzustellen und im Nachgang Lösungen zu finden. Leider ist dieser produktive Ansatz vom Shopify Team nicht verstanden worden, obwohl dieser wiederholt, klar formuliert wurde. Zur Klärung der festgestellten Schwächen hat das Shopify Plus Sales Team im Nachgang wenig proaktiv beigetragen. Wir mussten wiederholt nachfragen, um die offenen Themen ansatzweise zu klären. In der letzten Rückmeldung wurde dann implizit vorgeschlagen, dass unser Kunde eine andere Shopify Partner Agentur nutzen sollte:

Insbesondere wenn es komplexer wird, wie in dem Fall, dann sollte man einen Anbindungsspezialisten hinzuziehen. Ich kann mir vorstellen, dass in Bezug auf die eilige Timeline eine erfahrene Shopify Plus Agentur hinzugezogen werden kann, mit der man das Projekt co-managed.

Kurz darauf haben wir einen Anruf von unserem Kunden erhalten, der uns mitgeteilt hat, dass unser „vermeintlicher“ Partner Shopify ihn kontaktiert hätte und versucht hat uns in Misskredit zu bringen und nochmals dazu geraten hat, uns zu ersetzen, weil mit einem anderen Partner das Projekt einfach mit Shopify umsetzen wäre.

Fazit: Vorsicht bei der „Beratung“ durch Shopify

Wir müssen für uns leider festhalten, dass Shopify ein reines Interesse an Vertragsabschlüssen hat und dass einzelne Kundenprojekte wenig Relevanz haben. In den vergangenen Jahren haben wir sehr viele Anfragen von bestehenden Shopify Projekten erhalten, die allerdings für uns selten relevant waren, da es sich um klassische Startups handelte, die zwar einen Millionenumsatz erwirtschaften, aber wenig Interesse an einer langfristigen Zusammenarbeit haben, sondern auf der Suche nach günstigen Problemlösungen sind. Für diese Zielgruppe ist Shopify ideal, insbesondere wenn sie ihre Unternehmensprozesse auf Shopify aufgebaut haben und auf Shopify spezialisierte Anwendungen und Dienstleister setzen, die eine Out-of-the-Box Anbindung anbieten. Sobald aber Individualisierungen benötigt werden, ist der Shopify Kostenvorteil verschwunden und Shopify kann sogar zum Nachteil werden, weil keine Erweiterung des Core-Systems möglich ist.

Unser Fazit ist, dass Shopify versucht mit seinem Partner-System primär Akquise zu betreiben, um neue Kunden zu finden. Die Qualifikation und Objektivität des Partners spielt eine untergeordnete Rolle. Der generierte Umsatz bzw. die generierten Leads definieren die Qualifikation und das Partnerlevel. – Nach unseren Erfahrungen raten wir jedem dringend, einem objektiven Berater zu vertrauen, um einen individuellen Anforderungskatalog zu erstellen und dann in einen aktiven Evaluierungsprozess zu gehen. Für den Evaluierungsprozess raten wir dringend dazu, sich nicht von Verkaufsversprechen oder Bekanntheitsgraden leiten zu lassen, sondern ähnlich wie bei der Auswahl des eigenen ERP-Systems auf die individuellen Erfordernisse einzugehen. Denn jede eCommerce Applikation hat Vor- und Nachteile, die i.d.R. ein Entwicklungspartner lösen kann.